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TradingBrothers Blog

12.08.2025 - Trumps Mar-a-Lago Akkord: Der Weg in die US-amerikanische Kriegswirtschaft?

Donald Trump wirft bei "Trade War" mit Pfeilen auf eine Karte

Trumps Wirtschaftspolitik alarmiert führende Ökonomen weltweit. Der "Mar-a-Lago-Accord" sieht eine radikale Neuordnung des globalen Handelssystems vor. Wissenschaftler warnen vor Konsequenzen jenseits der Wirtschaftslogik. Was steckt dahinter?

Der Mar-a-Lago-Akkord

Zahlreiche Ökonomen bis hin zu Nobelpreisträgern warnen vor Trumps Zollpolitik. Sie prognostizieren in der Mehrzahl eine inflationsbedingte Rezession. Doch Trumps scheinbar chaotische Zoll- und Geopolitik folgt dem „Mar-a-Lago-Akkord“ seines Wirtschaftsberaters Stephen Miran. Dieses Strategiepapier ist benannt nach der Schaltzentrale und Luxus-Golfresidenz des amerikanischen Präsidenten im US-Bundesstaat Florida.

Das Ziel des Akkords ist mittlerweile jedem Börsianer nicht nur aus unseren TB-Webinaren schmerzlich bekannt: eine radikale Neuausrichtung des globalen Handelssystems durch gezielte Dollar-Abwertung, Schutzzölle und massive Rückverlagerung industrieller Produktion. Die USA sollen aus globalen Abhängigkeiten gelöst und eine neue Handelsordnung etabliert werden.

Weitreichende ökonomische Kritik

Nicht nur Experten wie Rebecca Patterson von der US-Denkfabrik Council on Foreign Relations warnen vor materiellen Risiken dieser, die bewusst kurzfristige wirtschaftliche Schmerzen in Kauf nimmt. Die Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) zeigt die prekäre US-Situation auf: 36 Billionen US-Dollar Staatsverschuldung (124 Prozent des BIP), erstmals mehr Zinsdienst als Verteidigungsausgaben. Die industrielle Basis ist erodiert – von 20 Prozent auf acht Prozent Beschäftigte in der verarbeitenden Industrie seit 1980.

China dominiert die Weltindustrie: Ein Drittel aller globalen Industrieprodukte, beim Stahl so viel wie der gesamte Rest der Welt. Im bilateralen Handel exportiert China Waren für 525 Milliarden Dollar in die USA, während amerikanische Exporte nur 164 Milliarden erreichen.
Und die SWP formuliert zugespitzt: "Eine Hegemonialmacht muss in der Lage sein, Stahl und Waffen selbst herzustellen."

Aber diese aktuellen Zahlen und auch der Krieg in der Ukraine zeigen deutlich: Die USA können das im Moment nicht. Deswegen muss auch ein neuer ,Deal' mit China-Freund Putin her. Das US-Dilemma: Entweder globale Macht teilen, hin zu einer multipolaren Weltordnung – oder Dominanz um jeden Preis sichern. Doch offizielle Strategiepapiere deuten darauf hin, dass die USA um die Beibehaltung ihrer Dominanz kämpfen wollen. Was also, wenn die US-amerikanische Strategie nicht primär auf ökonomisches Wachstum ausgerichtet ist, sondern auf die systematische Vorbereitung größerer Konfrontationen?

Jenseits der Wirtschaftslogik: Die Kriegsökonomie-Hypothese

Strategien dazu gibt es in den USA seit langem genug. Schon das zur Jahrtausendwende vom Transportkommando der US-Streitkräfte veröffentlichte „Joint Vision 2020“ proklamierte globale militärische Überlegenheit. 25 Jahre später bestätigt ein aktuelles Pentagon-Memo unter Trump diese Linie: China sei der zentrale Gegner, US-Interessen müssten in der gesamten westlichen Hemisphäre verteidigt werden – von Grönland bis Kap Hoorn. Um diese wie es dort heißt "Full-spectrum dominance" durchzusetzen, könnte die scheinbar abstruse und selbstschädigende US-Politik des Mar-a-Lago Akkords somit bei genauerem Hinsehen auch so interpretiert werden, dass die USA eine zweigleisige Kriegsökonomie-Strategie verfolgen – schauen wir also genauer drauf:

Industrielle Kriegsvorbereitung: Die aggressive Zollpolitik dient der systematischen nationalen Reindustrialisierung kritischer Sektoren:
Trump betonte bereits in seiner ersten Präsidentschaft 2018, die Stahlproduktion sei "eine Frage der nationalen Sicherheit". Mit seiner Zollpolitik versucht er nunmehr nicht ohne Erfolg, nennenswerte Industriekapazitäten in die USA zurückzuholen – und zwar bekanntermaßen unabhängig von den kurzfristigen wirtschaftlichen Kosten. Die seit der berühmten Zolltafel im Rosengarten abgeschlossenen internationalen US-Zolleinigungen fielen fast ausnahmslos zugunsten der USA aus. Die aktuelle Nvidia-Ankündigung, 500 Milliarden US-Dollar in Produktionsanlagen der Vereinigten Staaten zu investieren, ist nur das prominenteste sichtbare Beispiel dieser erzwungenen Re-Industrialisierung. Von der EU verlangt Trump zusätzliche 600 Milliarden USD neue Direktinvestitionen in den USA.

Soziologische Kriegsvorbereitung: Der erst im Mai verabschiedete „One Big Beautiful Bill Act“ (abgekürzt auch „BBB“) – ein Steuer- und Haushaltspaket, das primär Steuersenkungen für Reiche mit höheren Militärausgaben verbindet – offenbart eine soziale Zwei-Klassen-Strategie:
Während das Gesetz primär Steuersenkungen für die Ober- und Mittelschicht bringt (vier Billionen Dollar über zehn Jahre), treffen die Zollkosten überproportional die Unterschicht. Wie so oft bedient Trump seine eigene Klasse mit Steuerprivilegien, während er durch die Zollpolitik vor allem jene Bevölkerungsschichten trifft, die historisch die Soldaten und Arbeiter für die amerikanischen Kriege gestellt haben. Eine solch zweigleisige Strategie könnte einer brutalen, aber kohärenten sozialen Logik folgen: Zölle schaffen die industrielle Basis für die Kriegsführung, während gleichzeitige Prekarisierung eine Rekrutierungsbasis hervorbringt: Menschen, die aus existenzieller Not sowohl bereit sind, in kriegsnahen Industrien zu arbeiten, als auch in den Krieg zu ziehen. Die oberen, politisch einflussreichen Einkommensschichten bleiben durch Steuersenkungen privilegiert – und damit loyal. Die 156 Milliarden US-Dollar Militärausgaben des Bills über vier Jahre, die systematisch auf garantierte Finanzierung umgestellt wurden, wären dabei nur ein kleiner, aber bedeutsamer Baustein einer mutmaßlich größeren Strategie.

Eigene Währung als Mittel zum Zweck

Die SWP behauptet, dass Trump bereit ist, für diese Strategie sogar den globalen Status des US-Dollars zu opfern. Obwohl er die hegemoniale Funktion seiner Währung kennt, ist ihm "die Stärkung der amerikanischen Industrie wichtiger, als die Funktion des Dollar als Reservewährung im bisherigen Umfang zu wahren."

Seit dem Sieg Donald Trumps bei den US-Präsidentschaftswahlen und dem Bekanntwerden des Mar-a-Lago Akkords fiel der US-Dollar bereits von 1,02 auf 1,15 pro Euro. Die Schwächung des US-Dollars als Weltleitwährung wäre allerdings nur vorübergehend – denn im Fall eines Großkonfliktes könnten sie den Dollarstatus schlicht diktieren. Auch hierzu finden sich erstaunlich viele Passagen im Mar-a-Lago Akkord.

Geopolitik à la Trump

Diese industrielle Autarkie-Strategie wird offenbar durch ein noch größeres geopolitisches Konzept flankiert: die Schaffung einer in Mar-Lago oft zitierten "Festung Amerika", die weit über die heutigen US-Grenzen hinausreicht.

Die wiederholten Annexionsträume bezüglich Grönland und Kanada wirken nicht zufällig, sondern wie Teil einer Strategie zur geopolitischen Arrondierung: Grönland bietet Ressourcen und Arktis-Zugang, Kanada kritische Rohstoffe – und ist wirtschaftlich stark von den USA abhängig.

Auch die aggressive Behandlung enger Verbündeter wie der EU und die öffentliche Degradierung des ukrainischen Präsidenten Selensky ergibt in diesem Kontext Sinn: Europa ist politisch und militärisch so eng mit den USA verflochten, dass es trotz aller Proteste keine Alternative zum Gehorsam hat – Europa wird zunehmend in die Rolle eines militärischen und ökonomischen Erfüllungsgehilfen gedrängt.

Festung Amerika

Die gegenwärtige US-Politik opfert bewusst makroökonomische Stabilität für industrielle und territoriale Expansion – ein klassisches Merkmal der Vorbereitung auf eine Kriegswirtschaft. Geld kann gedruckt werden, aber Industrieanlagen, Fachkräfte, Produktionsketten und territoriale Kontrolle brauchen Jahre zum Aufbau. Dieser Umbau könnte einer klaren Logik folgen: Die USA nehmen bewusst kurzfristige wirtschaftliche Verwerfungen, internationale Isolation und finanzielle Instabilität in Kauf, um sich wirtschaftspolitisch auf einen möglicherweise entscheidenden und selbst herbeigeführten Konflikt vorzubereiten, nach dessen erfolgreichem Ausgang sie die Spielregeln der Welt vollständig neu definieren können.

Die Schaffung einer "Festung Amerika" durch territoriale Expansion, der Aufbau autarker Industriekapazitäten, die systematische Erzeugung ökonomischer Zwangslagen für breite Bevölkerungsschichten im eigenen Land zum Zweck der militärischen und ökonomischen Mobilisierung und die Inkaufnahme einer destabilisierten Weltwirtschaftsordnung könnten Bausteine einer umfassenden Vorbereitung auf jenen großen Konflikt sein, der die multipolare Herausforderung der amerikanischen Hegemonie beenden soll.

Ob diese Strategie offen formuliert wurde oder nicht – die Bausteine verdichten sich zu einem Gesamtbild, das kaum zufällig wirkt.


Quellen:

[1] https://think.ing.com/articles/mar-a-lago-accord-10-questions-answered-on-devaluing-the-dollar
[2] https://www.cfr.org/article/mar-lago-accord-not-recipe-success
[3] https://www.swp-berlin.org/10.18449/2025A23/
[4] https://www.ustranscom.mil/cmd/panewsreader.cfm?ID=28886F73-5056-A127-59B21D279CE1423F&yr=2000
[5] https://www.washingtonpost.com/national-security/2025/03/29/secret-pentagon-memo-hegseth-heritage-foundation-china/
[6] https://www.spiegel.de/wirtschaft/nvidia-will-erstmals-ki-supercomputer-in-den-usa-produzieren-a-5169f676-878e-453c-bd18-60aa8d4073b2
[7] https://www.n-tv.de/mediathek/videos/wirtschaft/US-Zoelle-fuer-EU-gelten-ab-heute-Trump-droht-schon-wieder-article25950211.html
[8] https://apnews.com/article/big-beautiful-bill-trump-tax-cuts-medicaid-00ce1ff8a7b7fea7a894d38398748c6b