22.05.2025 - Finanzwelt im Fokus: Der Chef des norwegischen Staatsfonds über Inflation, Zölle & KI

In der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (F.A.S.) vom 18. Mai 2025 spricht Nicolai Tangen, Chef des norwegischen Staatsfonds, über die aktuellen Herausforderungen an den Kapitalmärkten. Ich habe die wichtigsten Aussagen aus dem Interview für Dich zusammengefasst – von geopolitischen Risiken über Inflationsängste bis hin zur Rolle künstlicher Intelligenz in der Fondsverwaltung.
Nicolai Tangen über Inflation, Handelskrieg und langfristige Strategien des norwegischen Staatsfonds
Mit rund 1,65 Billionen Euro unter Verwaltung ist der norwegische Staatsfonds der größte Vermögensverwalter der Welt. Als Speicher für die Öl- und Gaseinnahmen des Landes hält er Beteiligungen an über 8.600 Unternehmen in 63 Ländern – darunter etwa 1,5 Prozent aller börsennotierten Aktien weltweit. Im aktuellen Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ spricht Nicolai Tangen, der Leiter von Norges Bank Investment Management das für den Fonds zuständig ist, über die Kapitalmärkte im Zeichen der aktuellen geopolitischen Verwerfungen und wie er und sein Team darauf reagieren:
Die zunehmende wirtschaftliche Deglobalisierung und die angekündigten Zollerhöhungen unter US-Präsident Trump bereiten dem Investmentprofi dennoch Kopfzerbrechen. „Wir stehen nach wie vor einer Fragmentierung der Welt gegenüber. Das heißt weniger Handel, ein Zurückdrehen der Globalisierung und Inflation", warnt der Chef des Ölfonds. Vor allem die Veränderungen in den globalen Lieferketten könnten zu anhaltenden Preissteigerungen führen: „Es wird sehr schwierig, die Inflation dauerhaft herunterzubekommen; ich sehe ein Risiko, dass sie wieder steigt.“ Besonders die Diskrepanz zwischen den wirtschaftlichen Realitäten und der positiven Aktienmarktentwicklung erstaunt den erfahrenen Manager. „Für die Situation, in der wir uns jetzt befinden, haben wir mit einem Minus von 35 Prozent an den Märkten gerechnet", erklärt Tangen. Stattdessen erholten sich die Kurse nach den Rückgängen im Frühjahr rasch wieder.
Trotz dieser Risiken bleibt der Ölfonds seiner langfristigen Anlagestrategie treu. Aktuell sind 71,4 Prozent des Portfolios in Aktien, 26,6 Prozent in Anleihen, 1,8 Prozent in Immobilien und 0,1 Prozent in erneuerbare Energien investiert. Diese breite Diversifikation hilft dem Fonds, Marktschwankungen zu überstehen. Ein zentrales Element der Anlagestrategie ist das konsequente antizyklische Investieren. „Wenn die Aktienkurse fallen, kaufen wir Aktien. Das geschieht automatisch, als Teil unseres Reglements, weil wir immer einen gleichbleibenden Anteil unseres Marktwerts in Aktien angelegt haben müssen", erläutert Tangen im Interview. Diese konsequente Herangehensweise hat dem Fonds seit dem Winter 2021 einen Wertzuwachs von fast 60 Prozent beschert.
Der Fonds setzt auf Aktien und US-Anleihen und wächst seit 1998 stetig. © F.A.S.
Bemerkenswert ist das klare Bekenntnis des Fondsmanagers zu amerikanischen Staatsanleihen, trotz der jüngsten Turbulenzen am Anleihenmarkt hält Tangen sie für „die sicherste Anlagemöglichkeit überhaupt". Auf die Frage nach Alternativen antwortet er: „Da gibt es eigentlich nichts.“ Gleichzeitig sieht Tangen langfristig Risiken im globalen Anleihenmarkt: „Die Staaten der Welt sind zurzeit mit mehr als 100 Billionen Dollar verschuldet. Das ist eine gewaltige Summe. Es ist schwer zu sagen, wie weit man das noch treiben kann. Es gibt jedenfalls keine Garantie dafür, dass die Investoren endlos Staatsschulden finanzieren wollen.“ Die Finanzmärkte könnten von einem gewissen Punkt an höhere Zinsen verlangen.
Für europäische Märkte sieht er Chancen durch die neuen geopolitischen Verschiebungen. Die von Trump angekündigten Zölle hätten „bei den Amerikanern für große Unsicherheit gesorgt. Für die Europäer dagegen haben sie fast wie eine Vitaminspritze gewirkt.“ Tangen bleibt dennoch skeptisch, was Europas Reformfähigkeit angeht: „Es gibt dafür ein Sprichwort: Man kann einer Katze schlecht beibringen, ein Hund zu sein. In der EU arbeiten viele tüchtige und kluge Leute. Aber sie wurden nicht dafür geschaffen, irgendetwas zu deregulieren.“ Auf die Frage, was in Europa geschehen müsste, bringt er die Probleme auf den Punkt: „Sind die Berichtspflichten für die Unternehmen zu kompliziert? Ja. Braucht Europa einen gemeinsamen Kapitalmarkt? Ja. Schwächt zu viel Bürokratie das Wachstum? Ja.“
Ein wichtiger Innovationstreiber im Fondsmanagement ist der Einsatz künstlicher Intelligenz. „Wir nutzen KI-Werkzeuge überall bei uns im Ölfonds", berichtet Tangen. Das hat nicht nur einen Einfluss auf die Produktivität, die im vergangenen Jahr um 15 Prozent gestiegen sei. Auch bei den Handelskosten macht sich dies bemerkbar, da die KI zu weniger Handelsbewegungen im Jahr führt: „Wir wollen unsere Ausgaben dafür um 400 Millionen Dollar im Jahr senken, 100 Millionen haben wir schon geschafft. Wir wollen nicht montags eine Aktie verkaufen, die wir freitags wieder einkaufen. Die KI kann Muster erkennen, die zu solchen Bewegungen führen würden.“
Kürzlich hat der Staatsfonds zudem erstmals 250 Millionen US-Dollar in externe HedgefondsMandate für Long-Short-Strategien investiert – ein weiterer Schritt, um das Portfolio gegen Marktturbulenzen abzusichern. Diese strategische Ausrichtung unterstreicht Tangens vorsichtigen Ausblick auf die kommenden Marktentwicklungen.
Eine Zusammenfassung von Christian Schöppe.
Das vollständige Interview mit der „FAZ“ (Bezahlschranke) findet ihr hier:
https://www.faz.net/aktuell/finanzen/was-der-chef-des-groessten-staatsfonds-der-welt-ueber-die-zollpolitik-von-donald-trump-denkt-110479719.html